Es jährt sich diesen März nun zum 80. Mal der Anschluss Österreichs an das „Großdeutsche Reich“, welcher viel zu oft und viel zu lange dahingehend umgedeutet wurde, Österreich als erstes „Opfer“ darzustellen und jegliche Verantwortung für die schrecklichen Verbrechen des NS-Regimes von Österreich abzuwenden. Eine systematische Entnazifizierung der österreichischen Gesellschaft wurde durch die konsequente Leugnung der historischen (Mit-)Verantwortung verunmöglicht.
Dass die österreichische Erinnerungspolitik versagt hat, wird wohl an dem Umstand besonders deutlich, dass die von der aktuellen Regierung betriebene Politik der Entsolidarisierung und Diffamierung von der Mehrheit der in Österreich lebenden (und wahlberechtigten) Menschen unterstützt wird, solange sie sich nur gegen die „Richtigen“ wendet – Geflüchtete, Arbeitslose, Verarmte, … – eine Regierung, die hohe administrative Posten bis hin zu Ministerien mit Personen aus deutschnationalen Burschenschaften besetzt. Teils rechtsextreme Burschenschaften, die eben jene großdeutschen Fantasien als ein oberstes Prinzip anführen, die auch die Vernichtung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden in der Shoa als Anlass nehmen, um heitere Lieder zu singen und in diesen zu weiteren Massenmorden aufzurufen. Eine vermeintliche Aufarbeitung der antisemitischen Vergangenheit der FPÖ kann nur eine Farce sein, wenn die (historische) Rolle der Burschenschaften für die FPÖ ausgespart wird und als Kommissionsleiter ein gewisser Wilhelm Brauneder fungieren soll, der unter anderem in der rechtsextremen Zeitschrift „Aula“ publiziert hat.
Immer, aber gerade anlässlich der aktuellen politischen Verhältnisse, muss die (historische) Rolle der österreichischen Politik und Gesellschaft bezüglich Antisemitismus konsequent kritisiert werden. Kein Vergeben, kein Vergessen!
In der nächsten Zeit finden einige Veranstaltungen statt, die sich der kritischen Aufarbeitung widmen:
12.03., 16:30-20:30 Uhr, Van-Swieten-Gasse 1a 1090 Wien (MedUni Wien):
„Anschluss“ im März 1938: Nachwirkungen auf Medizin und Gesellschaft
12.03., 18:00 Uhr, Wipplingerstraße 6-8 (DÖW):
Vorträge von Brigitte Entner und Martin Krist: der „Anschluss“ 1938 in Wien und Kärnten
13.03., 09:00 Uhr, Foyer des Amtshauses Floridsdorf, Am Spitz 1:
Gedenken an Annexion Österreichs – organisiert von DÖW, erinnern.at und NS-Opferverbände.
13.03., 16:00-18:00, Jüdisches Museum Wien, Dorotheergasse 11:
Geschichte in Geschichten: Projektpräsentation „über_leben“ – Videointerviews mit ZeitzeugInnen
15.03., 13:15-14:45, Hörsaal 1, NIG:
Gastvortrag von Univ.-Prof. Dr. Emmerich Thalos: 80 Jahre ‚Anschluss‘ als Ende des Austrofaschismus