Schwester Helga – Du maximierst mein Glück (Buchrezension)

Der Arztroman zur Mikroökonomie Von Thomas Hönscheid, Eichborn Verlag: www.schwesterhelga.de

Ökonomische Fachliteratur: zu wenig anschaulich, zu trocken – Unterhaltungsliteratur: leichtes Lesevergnügen ja, aber muss es auch seicht sein?

Der deutsche Volkswirt Thomas Hönscheid versucht mit „Schwester Helga“ das Beste aus beiden Welten zu vereinen: ein kurzer, prägnanter Überblick über die Mikroökonomie und das Suchen und Finden der ganz großen Liebe in bester Groschenromanmanier.

Die Heldin, Schwester Helga, ist jung, naiv, idealistisch, körperlich brünett und geistig “blond”. Ihr Angebeteter, Chefarzt Dr. Robert Sanden, ist ebenfalls jung, ehrgeizig, dynamisch, körperlich großgewachsen und geistig großkotzig. Seine Leidenschaft gilt nicht etwa nur der reizenden Schwester Helga, nein, es ist die – auch als Allegorie auftretende – Mikroökonomie, die ihn begeistert. Wer wird im Kampf um sein Herz letztendlich siegen?

Was sich so viel versprechend anlässt, enttäuscht leider über weite Strecken: Die versuchte Verzahnung der verschiedenen Ansprüche gelingt Hönscheid nicht. Zwischen der eigentlichen Romanhandlung holen die Figuren immer wieder zu kurzen Monologen über die Preistheorie aus, Diagramme werden auf Haut gezeichnet, in Landschaften integriert und mit kleinen Bildern illustriert. Zur Auffrischung von Mikro-Kenntnissen sind diese Ausführungen nur bedingt geeignet. Der Humor gleitet leider streckenweise in die Untiefen der deutschen Comedy à la Oliver Pocher ab, dümmliche Parodien werden bis zum Abwinken ausgebreitet bis auch der geduldigste Leser genervt ist.

Die Arztromanhandlung dagegen lässt nichts zu wünschen übrig, von niedlichen kleinen Neffen und tragischen Unfällen über gutaussehende junge Adlige aus komplizierten Familienverhältnissen bis hin zu überraschend aufgedeckten Affären zwischen den unwahrscheinlichsten Leuten. Alle Klischees werden pflichtschuldig abgearbeitet. Das sorgt für vereinzelte, lustige Stellen, kann aber nicht über den grundlegenden Mangel hinwegtäuschen: Das Buch ist stilistisch zu seicht und erwartbar angelegt, um wirklich komisch zu sein und geht zu sehr auf ironische Distanz zu seiner waghalsigen Prämisse. Um es mit Hönscheid zu sagen: Der Lesegenuss wird nicht maximiert.

Sowohl auf der Homepage ( www.schwesterhelga.de) als auch hinten im Buch hat man das gesamte Personal aufgelistet, sollte man bei den obligatorischen verworrenen Liebes- und Familienbanden die Übersicht verlieren. Das Buch macht sich mit seinem hellblauen genretreuen Arztromanumschlag aber gut im Regal und erlaubt es einem, Fragen nach Hobbies mit „Ich lese gerne Arztromane“ zu beantworten.

Fazit: Fachlich sauber wenn auch äußerst minimalistisch, leider weitaus weniger lustig als der Titel suggeriert. Die Kreuzung aus Schundroman und ökonomischer Fachliteratur hat aber durchaus Potential.

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