Was notwendig ist II

Bevor du weiter liest: Kennst du schon den Grund für unsere Plakataktion? Du findest unsere Stellungnahme hier und unsere ausgeführten Forderungen zum ersten Plakat hier.

Studium von Studis für Studis

Vielen von euch ist die Selbstorganisierte Lehrveranstaltung (SOLV) ein Begriff. Gemeinsam mit anderen interessierten Studierenden organisieren wir jedes Semester zumindest eine davon.

Es geht dabei einerseits darum, Inhalten im Studium einen Platz einzuräumen, die zu kurz kommen oder schlicht fehlen. Beispielsweise hatten wir SOLVen zu Heterodoxer Ökonomie, Europäischer Wirtschaftspolitik, Macht und Ökonomie, Wissenschaftstheorie, Arbeit (neu) definieren oder aktuell zu Imperialismus.

Andererseits sehen wir die SOLV aber auch als Experimentierfeld um neue Kursmodi auszuprobieren. Wir versuchen immer wieder den unterschiedlichen Lebensrealitäten und Neigungen von Studis gerecht zu werden (auch wenn das in der Gesamtheit sehr schwierig ist), manche schreiben gerne Texte, andere halten lieber eine Präsentation (was wiederum für manche eine Qual sein kann) – im Idealfall gibt es viele Möglichkeiten und alle wählen dann die am besten zu ihnen passende. Auch wenn wir uns immer über zahlreiche aktive Teilnehmer_innen freuen, fordern wir keine Anwesenheitspflicht und halten die SOLV meist abends um auch Nicht-Studierenden und Berufstätigen eine Teilnahme zu ermöglichen.

Wir halten die SOLV für ein Erfolgsmodell, denn sie ermöglicht es, wie kaum eine andere Lehrveranstaltung, die Interessen der Studierenden ganz unmittelbar in den Studierendenalltag zu integrieren. Sie geht auf die Tatsachen ein, dass wir i) unsere Interessen selbst am besten kennen, ii) wissen, wie wir den Studienalltag an unsere Lebensumstände anpassen müssen/können und iii) als Studierende selbst aktiver Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses sind – dieser Punkt wird bei uns am Institut vielleicht sogar noch stärker vernachlässigt als die ersten beiden. Wir sind der Meinung, dass Forschung und Lehre zwei gleichberechtigte, notwendige Seiten derselben Medaille sind. Die Vorstellung, dass Lehre nur ein lästiges Anhängsel von Forschung sei (wie sie ev. von manchen Lehrenden vertreten wird) halten wir nicht nur für falsch, sondern für anti-aufklärerisch.

Um die SOLV weiter zu instiutionalisieren und Lehre als Teil einer akademischen Ausbildung im Studium zu berücksichtigen, fordern wir folgendes:

Die SOLV sollte nicht nur ECTS Punkte für jene Studierenden bringen, die sie als Teilnehmer_innen absolvieren, sondern auch für jene, die sie organisieren. Die Organisation einer solchen SOLV wäre dann für die Organisator_innen als Wahlfach anrechenbar (das gibt es an einigen Unis in der Form schon, bspw. an der Uni Kassel in Deutschland).

Studium von Lehrenden für Studis

Soweit, so gut. Aber der Großteil der Lehrveranstaltungen wird (noch?) nicht von Studis für Studis organisiert. Stattdessen wird von Lehrenden ein fertiges Menü an Kursen präsentiert, das nur noch verdaut werden muss. Warum sollten nicht alle von Profs gehaltenen Kurse ebenfalls in Rücksprache mit Studis geplant werden? Für wen werden denn die Kurse gehalten? Ein paar Gespräche würden schon ausreichen um klar zu machen, dass wir vielleicht nicht in fünf aufeinanderfolgenden Kursen das Gefangengendilemma oder die Wohlfahrtstheoreme lernen wollen. Oder, dass wir UKs eigentlich blöd finden. Oder, dass wir in Makroökonomie vielleicht auch nicht-mikrofundierte Makro machen wollen bzw. überhaupt die Frage diskutieren wollen, ob eine Mikrofundierung überhaupt Sinn macht, etc. Nicht nur welche Inhalte wichtig und interessant sind, ist eine Frage die erst sinnvoll im Gespräch mit Studis zu klären ist, sondern auch, wie diese vermittelt werden.

Wir fordern daher, alle Lehrveranstaltungen mit Studierenden gemeinsam zu planen!
Damit meinen wir nicht, dass die Studierendenvertretung im 5. Stock (hier sind die meisten unserer Profs angesiedelt) von Tür zu Tür gehen und um einen Termin bitten. Vielmehr sollten Lehrende von sich aus auf Studierende zugehen, die Möglichkeit anbieten an der Kursplanung teilzunehmen – und zwar allen interessierten Studierenden.

An dieser Stelle möchten wir einige positiven Beispiele hervorstreichen, bei denen das zum Teil schon so gehandhabt wird/wurde:

Prof. Maarten Janssen bietet dieses Semester auf unser Anregen hin einen Kurs zur Methodologie der VWL an. Er hat uns bei einem Gespräch auch um inhaltliche Anregungen gebeten.

Prof. Karl Milford hat im Rahmen der Planung seiner Kurse zur Ökonomischen Theoriegeschichte regelmäßig Kontakt zu uns gesucht und unsere Meinung eingeholt.

Prof. Konrad Podczeck hat gemeinsam mit uns die Lehrveranstaltung Marxistische Ökonomie – Alternativen zum Kapitalismus geplant. Basisdemokratisch wurde über Inhalt und Struktur des Kurses entschieden. Auch für kommendes Sommersemester planen wir wieder eine LV gemeinsam.

Vertiefung der Mitbestimmung

Aktuell hat die gesetzlich verankerte Studierendenvertretung max 33% der Stimmen in offiziellen Gremien (zB zur Gestaltung von Curricula oder Berufungen neuer Profesor_innen, etc.). Auch hier fordern wir vorläufig nichts radikales, denn diesen Anteil – für die mit Abstand größte Gruppe an Betroffenen – auf 50% zu erhöhen, ist lediglich ein Zurück zum status quo vor der Bologna-Umstellung der Hochschulen. Diese katastrophalen Gesetze für Hochschulen werden wir nicht allein bei uns am Institut rückgängig machen können, allerdings spricht überhaupt nichts dagegen, dass unser Institut das informell so handhabt, wie es früher der Fall war. Das würden wir als angemessene Berücksichtigung von Studierendeninteressen sehen.